Über die Obrigkeiten und die Existenzgrundlagen

Um sich in der Welt mehr oder weniger gut zurechtzufinden, mußten wohl zu allen Zeiten Autoritäten berücksichtigt werden. Stellt man sich die Frage, nach welchen moralischen und fiskalischen Kriterien das Leben unserer Ahnen abgelaufen ist, so sind auch hier zwei „Herrschaften“ deutlich auszumachen:

Die Obrigkeit des Gesetzes, gedacht für den täglichen Umgang der Menschen hier auf Erden und die des Glaubens, verantwortlich für die Vorbereitung auf die Ewigkeit.

Daneben hat im täglichen Leben das Geld eine wesentliche Rolle gespielt, zumindest seit dem Übergang vom direkten Tauschgeschäft auf die viel leichter zu handhabende Bezahlung mit Hilfe der Münzen. Auf den Höfen unserer Vorfahren hat sich nachweislich noch 1587 eine „Mischleistung“ bewährt nach dem Motto: Münzgeld an die weltliche, Naturalien an die geistliche Obrigkeit, wie in einer der Hofbeschreibungen nachzulesen ist.

1.Die geistliche Obrigkeit

 St. Lamberti-Kirche in Bergen
St. Lamberti-Kirche in Bergen

Es wird berichtet, daß ein Benediktinermönch namens Landolf das Örtzetal bald nach 800 missioniert und eine erste Kirche bei dem Dorf Baven in der Nähe von Hermannsburg gegründet hat. Zur Zeit Hermanns (936-972) aus dem Geschlecht der Billunger, dem Namengeber von Hermannsburg, sei dieser Bau jedoch von den Wenden zerstört worden und darauf im Jahre 970 der Grundstein zu der Kirche gelegt worden, die 987 den Aposteln Peter und Paul geweiht wurde.

Das im Jahre 956 gegründete Kloster St. Michaelis in Lüneburg besaß in Bergen nicht nur einen Verwaltungshof, sondern übte auch das Patronatsrecht über die dortige St. Lamberti-Kirche aus. Das Gotteshaus wurde im Jahre 1302 endgültig inkorporiert (einverleibt). Die Kapelle in Sülze erhielt mit Genehmigung des Bischofs Heinrich von Minden im Jahre 1504 Pfarrecht und schied damit aus dem Kirchspiel (Gemeinde) Bergen aus.

Gegen die Reformation regte sich naturgemäß auch im Kloster Wienhausen der Widerstand der Nonnen gegen die neue Lehre. Dieser führte wiederum zu Repressalien des Celler Herzogs, und zwar zur Zerstörung eines Teiles der Konventgebäude und zum Abbruch der im Klosterbesitz befindlichen Kirche zu Westercelle. Aber auf dem Lande nahm die Reformation einen relativ ruhigen Verlauf. Und etwa 17 Jahre nachdem Martin Luther seine 95 Thesen „angeschlagen“ hatte (1517), amtierte bereits Barthold Osterodt als erster lutherischer Pastor in Hermannsburg. Der Wechsel vom katholischen zum evangelischen Glauben wurde aber erst landesweit und damit endgültig vollzogen, als der Herzog Ernst „der Bekenner“ von Braunschweig Lüneburg Celle im Jahre 1529 die „Speyrer Protestation“ mit unterzeichnete.

2. Die Pröven

Weil damals eine allgemeine Kirchensteuer vom Staat noch nicht erhoben wurde, mußten die Bauern auch diejenige Obrigkeit versorgen, die für das Seelenheil zuständig war. Hierzu wurden die Pröven eingezogen. Mit dieser Pfarrpfründe wurde der zuständige Geistliche und sein Küster auf Lebenszeit belehnt. Dieses System der indirekten Finanzierung eines Amtes durch Naturalien war vor der Zeit der Zahlung von festen Gehältern die einzige sinnvolle Möglichkeit der unabhängigen und langfristigen Finanzierung einer geordneten Existenzgrundlage. Wie die Angaben in der ersten Hofgeschichte belegen, wurden tatsächlich Schinken und Brot abgeliefert. Später wurden die Pröven nicht mehr in natura, sondern in bar bezahlt, wie es für das Opfergeld bereits üblich war. Dieses wurde danach berechnet, wieviel Personen am Hl. Abendmahl teilnahmen (siehe zweite Hofgeschichte).

3. Die weltliche Obrigkeit

Bei der Suche nach der weltlichen Obrigkeit ist etwa im 13. Jahrhundert zu beginnen. In dieser Zeit entstanden nach und nach in der betreffenden Region die eigenständigen Fürstentümer Lüneburg, Wolfenbüttel, Calenberg, Grubenhagen und Göttingen, die sich über die Jahrhunderte mehrmals gegenseitig beerbten, vereinigten und wieder teilten. Die Lüneburger Linie starb 1369 aus. Als ihr Territorium von Kaiser Karl IV. nicht den erbberechtigten Braunschweiger Vettern, sondern den Herzögen von Sachsen‑-Wittenberg zu Lehen gegeben wurde, brach der „Lüneburger Erbfolgekrieg“ (1371 ‑ 1388) aus, der das Land verwüstete und schließlich mit dem Sieg der Welfen in der Schlacht bei Winsen an der Aller endete.

Die Landstände ‑ Prälaten, Ritterschaft und Städte ‑ nutzten die ständige Geldverlegenheit der Fürsten aus, um sich auf dem Wege der Steuerbewilligung ein Mitspracherecht bei der Regierung des Landes zu sichern. Der Stadt Lüneburg gelang es sogar, die Herzöge ganz aus ihren Mauern zu verdrängen. Dadurch wurde Celle im Jahre 1378 die Residenz der Herzöge von Braunschweig‑Lüneburg.

Im Dreißigjährigen Krieg (1618‑1648) wurden die Heidjer ganz stark in Mitleidenschaft gezogen, weil die Lüneburger Heide ein Durchzugsgebiet für die gegnerischen Heerscharen war. So litten sie lange Zeit unter den Schrecken des Krieges, auch noch, als das Eingreifen von Schweden in den Krieg 1630 eine Wende für den arg bedrängten Protestantismus brachte und der Sieg des mit Gustav II. Adolf verbündeten Herzogs Georg von Lüneburg im Jahre 1633 bei Hessisch‑Oldendorf über ein Heer der „Katholischen Liga“ die Gefahr einer Rekatholisierung endgültig bannte.

Georg Wilhelm von Lüneburg, letzter absolutistischer Regent
Der Heideherzog Georg Wilhelm

Ab 1641, also mehr gegen Ende des 30‑jährigen Krieges, regierten nacheinander die „vier welfischen Brüder“ in Hannover und Celle. Ernst August (1629‑1698), der letzte von ihnen, wurde zunächst 1661 der erste evangelische Bischof von Osnabrück. Der Tod seines älteren Bruders Johann Friedrich (1625‑1679) öffnete ihm jedoch den Weg zur Herrschaft in Hannover. Im Jahre 1692 erlangte er die Kurwürde. Nach dem Tode des letzten „Heideherzogs“ Georg Wilhelm im Jahre 1705 fiel das Fürstentum Lüneburg der Calenberger Linie zu. Als Folge dieser Erbregelung wurde der herzogliche Hof in Celle aufgelöst.

Der Kurfürst von Braunschweig‑Lüneburg selbst erhielt durch die Ehe mit Sophie von der Pfalz (der Enkelin Jakobs I. von England) die Anwartschaft auf den englischen Thron. Die Krone der Stuarts fiel dann auch an den Sohn, der als König Georg I. im Jahre 1714 den englischen Thron bestieg. Er begründete damit die bis 1837 anhaltende Personalunion zwischen dem Hause Hannover und Großbritannien.

Die beiden Länder waren aber nur durch die Person des Herrschers miteinander verbunden, blieben im übrigen selbständige Staaten, Hannover natürlich weiterhin als ein Glied des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation. Die Regierungsgewalt lag beim König/Kurfürst in London; faktisch führten aber die Geheimen Räte in Hannover die Verwaltung weitgehend selbständig in einem konservativen, Neuerungen wenig aufgeschlossenen Geist.

Um England zu schädigen, wurde die Personalunion bevorzugtes französisches Angriffsziel. Diese Absicht führte aber im „Siebenjährigen Krieg“ (1756 ‑ 1763) das Haus Hannover an die Seite Preußens und zur Zurückdrängung der französischen Truppen aus den hannoverschen Kurlanden bis an den Rhein und Main.

Doch 1803 besetzten die Franzosen unter Napoleon das Kurfürstentum Hannover, traten es 1805 an Preußen ab, um es ein Jahr später erneut zu erobern. 1807 errichtete Napoleon für seinen Bruder Jerome das Königreich Westfalen, dem für die Dauer eines Jahres mit dem kaiserlichen Dekret vom 1. März 1810 nahezu das gesamte Kurfürstentum Hannover zugeschlagen wurde. Die Lüneburger Heide wurde nach französischem Muster ohne Rücksicht auf historische Grenzen in Departements, Kantone und Mairien (Bürgermeistereien) eingeteilt.

Der Wiener Kongreß gestaltete nach der Niederlage Napoleons 1815 die Landkarte der Heimat unserer Vorfahren nochmals um. Das nunmehrige Königreich Hannover konnte ein letztes Mal die Früchte der diplomatischen Unterstützung durch England ernten. An der Seite Österreichs stürzte es aber als Folge der verlorenen Schlacht bei Langensalza in die Katastrophe. 1866 wurde das Königreich Hannover durch Annexion zur preußischen Provinz. Das Königshaus, das seit der Trennung der englisch‑hannoverschen Personalunion im Jahre 1837 weiterbestanden hatte, wurde entthront.

Unsere Vorfahren werden von der großen Politik der Herrscherhäuser und dem Schicksal ihrer Landesherren nicht allzuviel gemerkt haben. Während des Mittelalters hatte sich Bergen zu einem ansehnlichen Gemeinwesen mit Einwohnern, die sich schon damals Bürger nannten, und zum zentralen Ort mit Marktgerechtigkeit entwickelt.

Auch für die Leute der umliegenden Orte Bleckmar (seit 870 als Blecmeri bekannt),, Wardböhmen (ab 1197 Werthebomen), Dohnsen (1381 Dudensen, 1589 Dodensen), Bollersen (1235 Baldersen), Katensen (1378), Offen (1336) und Belsen (1235 Bellenhusen, 1379 Bellenzen, 1438 Bellensen, 1589 Belsen) werden die drei Märkte zu Neujahr, Palmarum (eine Woche vor Ostern) und acht Tage vor Michaelis (21. September) wohl eine willkommene Abwechselung in ihrem Alltag gewesen sein.

In Bergen wurde unter Vorsitz des Celler Vogtes das Goding, das spätere Landgericht, und das Vryding als Gericht für die Freien sowie das Holting, das Holzgericht, gehalten. Etwa um 1500 lag neben der Justiz auch die Verwaltung der Steuern und Abgaben der vom Herzog abhängigen Höfe und Koten in den Händen des Gogräfen bzw. des späteren Amtsvogtes von Bergen. Mit Ausgang des 16. Jahrhunderts gab es bereits auch die Vogtey Hermannsburg.

Im Jahre 1852 erfolgte die Trennung von Justiz und Verwaltung und die Zusammenlegung der Amtsvogteien Bergen und Hermannsburg zum Amt Bergen; letzteres existierte bis zur Bildung des Landkreises Celle im Jahre 1885.

4. Das Geld

Mit wachsender „Weltoffenheit“ ersetzte damals (etwa im 15. Jhdt.) auch in der Heide das Bargeld den Tauschhandel. Man hatte sicher auch hier den Vorteil erkannt und ausgenutzt, ein Teilvermögen in Form von ein paar ins Taschentuch geknoteten Münzen leichter und eventuell auch weniger sichtbar und damit sicherer durch die Heide zu tragen.

Währung bedeutete soviel wie die Gewährleistung, von Gewicht und Gehalt der Münzen durch die Obrigkeit. Solange das Geld aus reinen Edelmetallen bestand, entsprach der Gewichtswert in etwa dem Nennwert. Das änderte sich aber mit der Vermischung von verschiedenen Metallen. Durch die Verwendung von weniger edlen Legierungen mit Kupfer und Nickel lernte man, den echten Wert der Hauptmünzen aus Gold und Silber „ohne Bruch“ zu unterteilen.

Gold als Zahlungsmittel


Der Doppelescudo war seit 1537 spanische Währung und hieß auch Pistole oder Dublone. Dieses Geldstück wurde zur Weltmünze, als Frankreich nach ihrem Muster im Jahre 1640 seinen ersten Louis d'or prägte, der bis zur Revolution (1789-1799) als Hauptgoldmünze diente. Daher wurde auch im "Kurhannover" genannten Kurfürstentum Braunschweig-Lüneburg eine Währung mit vergleichbarem Wert geprägt. Diese Pistole hatte als Münze etwa einen Reinheitsgrad von 90%, ein Gewicht zwischen 6 und 7 Gramm und einen Wert von 5 Talern.

Silber als Zahlungsmittel


Der bereits vor 1500 im Umlauf befindliche Taler entsprach so sehr der steigenden Nachfrage nach einem Zahlungsmittel aus Silber, daß alle Länder diesen als Reichstaler nicht nur benutzten, sondern auch nachmünzten. Dieses Geldstück wurde von den Fürsten, die die Silberbergwerke besaßen (u.a. das Haus Braunschweig‑Lüneburg), in gewaltigen Mengen geprägt, so daß der Taler in der 2. Hälfte des 16. Jahrhunderts die Haupthandelsmünze wurde.

Kleingeld

 

Hinweise auf das ganze „Münzenwirrwarr“ mit dem unsere Vorfahren damals zu rechnen hatten, gab ein Lexikon aus dem Jahre 1741, dem folgende Aufzeichnungen  entnommen sind:

„Daselbst und im ganzen braunschweigischen und lüneburgischen Chur‑ und Fürstentum werden die Bücher gehalten und die Rechnungen geführt in Reichsthalern, Mariengroschen und Pfennigen. Ein Reichsthaler hat 24 gute Groschen, 36 Mariengroschen oder 288 Pfennige. Ein guter Groschen hat 1 ½ Mariengroschen oder 12 Pfennige, 1 Mariengroschen hat 8 Pfennige. 1 Mariengulden hat 20 Mariengroschen. Ein Mariengroschen hat 2 Mattier, und 1 Mattier hat 4 Pfennige. 1 Dreyer hat 3 Pfennige, 1 gemünztes Zwey‑Drittel hat 24 Mariengroschen, 1 gemünztes Ein‑Drittel hat 12 Mariengroschen, und ein gemünztes 1/6 hat 6 Mariengroschen. Man findet im ganzen braunschweigischen und lüneburgischen Lande viele gemünzte 1-, 2-, 3-, 4- Mariengroschen‑Stücke.“

 

IMPRESSUM

Edition:

Fritz Dehning, Bonn

E-Mail:

fritz.dehning@netcologne.de

 

Beratung:

Marcus Dehning

E-Mail: 

dehning@brueserberg.de

Aus dem Inhalt:

 

  Die

Lüneburger Heide,

das Land der Ahnen


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   Über die

Obrigkeiten

und die

Existenz-

grundlagen

 

*

  

  Das Leben

unserer Vorfahren

 

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Der gemeinsame

Name

 

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  Hofgeschichten

 

Soll und Haben

auf Wehsen Hoff

 

Rechte und Pflichten

auf Westerendshoff

 

Freud' und Leid

auf dem Reinkenhof

 

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Een

Sommerdag

bi een Burn,

eine plattdeutsche

Leseprobe

 

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Die Bilaad

und ihre Dokumente

 

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Finale